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Veranstaltungsbericht: Ist Circular Economy gleich nachhaltig?

Seit der Erhebung des ersten Circularity Gap Report (2018) sinkt der Grad der Zirkularität in der Weltwirtschaft jedes Jahr und beläuft sich nach der aktuellsten Erhebung für 2022 auf lediglich 7,2%. Um entsprechend der Pariser Klimaziele das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln, gilt es, den Anteil der linearen Wirtschaft (92,8%) in die Kreislauffähigkeit zu transformieren. Dabei ist es notwendig, zu betrachten, ob zirkuläre Ansätze, Geschäftsmodelle und Produkte immer auch gleich nachhaltig sind.

Veranstaltungen BNWCircular Kreislaufwirtschaft

Dieser Frage - Ist Circular Economy gleich nachhaltig - müssen wir uns stellen, um das ökologische und ökonomische Potenzial der Kreislauffähigkeit zu nutzen. Im Webinar, das im Rahmen des durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes ‚sustainable.circular‘ stattgefunden hat, wurde das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.

Von den rund 150 Teilnehmer:innen beantworteten 80% die Frage, ob Circular Economy gleich nachhaltig sei, mit Nein. Bei einem moderierten Gespräch zwischen BNW-Geschäftsführerin Dr. Katharina Reuter und CSCP-Geschäftsführer Michael Kuhndt, wurde deutlich: Nachhaltigkeit und Circular Economy können nicht automatisch gleichgesetzt werden. Dr. Katharina Reuter betonte die Verankerung von Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit im Kerngeschäft als zentralen Punkt. Unternehmen müssen im Sinne eines ganzheitlichen Nachhaltigkeits-Verständnisses bei der Entwicklung neuer- oder Transformation bestehender Geschäftsmodelle die Kreislaufführung von Anfang an mitdenken und Ökobilanzen sowie soziale Aspekte im Blick haben.

Im externen Impuls aus der Forschung hinterfragte Dr. Florian Hofmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Brandenburgischen Technischen Hochschule Cottbus-Senftenberg, die Nachhaltigkeit der Circular Economy ausgehend vom Konzept der Circular Society. Hier werden die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen berücksichtigt, die unabdingbar erscheinen, wenn es um das Sichern der natürlichen Lebensgrundlagen aktueller und zukünftiger Generationen geht. Konsequent gedachte Modelle des nachhaltig-zirkulären Wirtschaftens bräuchten neben politischen Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb ausreichend unternehmerischen Willen und Ressourcen, um getestet, reflektiert und weiterentwickelt werden zu können.

SYSTEMIQ-Partnerin Sophie Herrmann brachte als Circular Economy Expertin aus der BNW-Mitgliedschaft den Blickwinkel der angewandten Forschung ein. Sie machte deutlich: Wir brauchen eine neue Denkweise für zirkuläre Wertschöpfung. Unternehmen sollten hier vor allem das Geschäftsmodell in den Blick nehmen. Everything-as-a-service sei laut der XAAS-Studie von SYSTEMIQ das Paradigma für konsequentes zirkuläres Wirtschaften. Dabei besitzen Kund:innen kein Eigentum mehr an den Produkten sondern zahlen dem Unternehmen einen Geldbetrag für das Bereitstellen der Produktleistung. Für Unternehmen und Umwelt habe das laut Sophie Herrmann viele Vorteile. Dazu zählen, neben einer hohen Auslastung des Produktes und einem vollen Produktlebenszyklus, auch der Anreiz, Produkte nach höchsten Qualitätskriterien herzustellen. Dadurch kann der Einsatz neuer Ressourcen vermieden und CO2 Emissionen und Kosten können eingespart werden.

Gilt die Gleichung also doch? Sind zirkuläre Geschäftsmodelle und Produkte automatisch gleich nachhaltig? Und wie lässt sich die Nachhaltigkeit in zirkulären Prozessen und Maßnahmen überhaupt messen? Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen aktuell bei der Umsetzung? Über diese und weitere Fragen wurde im Anschluss in moderierten Breakout-Räumen diskutiert. Eine kurze Zusammenfassung der diskutierten Themen ist in der Wortwolke zu finden.

Aus dem anschließenden Impuls von Marianne Kuhlmann ging klar hervor: Ein (nachhaltiger) Kreislauf gelingt selten allein! Die Mitgründerin und Leiterin von Circularity e.V. veranschaulichte die Notwendigkeit von Kooperationen zwischen Organisationen für eine Circular Economy. Um lokale und globale Kreisläufe zu schließen, brauchen Unternehmen ein anderes Verständnis von Zusammenarbeit. Für eine Kreislaufwirtschaft müssen Veränderungen angetrieben werden, die über die Möglichkeiten und Kompetenzen einzelner hinausgehen. Wie Marianne Kuhlmann es treffend formulierte, bedeutet Circular Economy systemischen Wandel und bedarf damit ein neues Verständnis von Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik.

Den abschließenden Impuls des Webinars lieferte Linda Diercke, Leiterin des Geschäftsfelds Entwicklung und Kooperationen bei der Effizienz-Agentur NRW (EFA). Die Effizienz-Agentur berät Unternehmen zu den Themen Ressourceneffizienz und Circular Economy. Im Vortrag betonte Linda Diercke die zentrale Rolle des Circular Design. 80% der Umweltauswirkungen eines Produktes seien durch das Produktdesign vorbestimmt. Unternehmen können hier auf mehreren Ebenen ansetzen: Bei der Produktgestaltung und dem Geschäftsmodell. Hier sei das ökologische und ökonomische Potenzial riesig, wie sie an mehreren Beispielen erklärte. Wie zirkuläre Prinzipien auf das eigene Produkt angewendet werden können, erfahren produzierende BNW-Mitgliedsunternehmen aus Nordrhein-Westfalen Ende des Jahres in einer CIRCO Workshopreihe zum Circular Design. Diese wird von der Effizienz-Agentur NRW in Kooperation mit dem BNW durchgeführt, eine Info-Veranstaltung findet am 23. August 2023 statt.

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Webinars war die Vorstellung erster Projektergebnisse des DBU-geförderten Projekts sustainable.circular durch CSCP-Projektleiter Mike Tabel. Eine Befragung der BNW-Mitgliedsunternehmen hatte ergeben, dass Nachhaltigkeit und Zirkularität eine hohe Priorität bei den Unternehmen haben. Während das Thema in den Unternehmen und Führungsebenen eine große Rolle spielt, fällt die konkrete Umsetzung zirkulärer Ansätze teilweise noch schwer. Laut Befragung würden die Beteiligten vor allem von mehr Kollaboration und Wissensaustausch z.B. zu guten Beispielen für zirkuläre Geschäftsmodelle profitieren. Hier benötigen Unternehmen konkrete Unterstützungsangebote. Dafür wurden im Projekt Expert:innen dazu befragt, wie Circular Economy noch konsequenter in eine nachhaltige Umsetzung kommen kann. Zu einer klaren Verankerung in der Unternehmensstrategie und im Geschäftsmodell muss abteilungsübergreifend Expertise aufgebaut und genutzt werden. Um die Nachhaltigkeit von zirkulären Produkten und Geschäftsmodellen besser zu beurteilen, müssen Daten umfassend gesammelt werden, so Mike Tabel.

In dem Projekt sustainable.circular, das vom Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) gemeinsam mit dem BNW durchgeführt wird, wird die Nachhaltigkeit von zirkulären Ansätzen, Geschäftsmodellen und Produkten unter die Lupe genommen. Ziel ist es, konkrete Maßnahmen und Handlungsempfehlungen abzuleiten, die KMU bei der Umsetzung einer nachhaltigen Circular Economy Orientierung und Unterstützung bieten. Im zweiten Webinar am 29. März stattfinden wird (SAVE THE DATE), werden die finalen Projektergebnisse mit starkem Anwendungs-Bezug vorgestellt.

Die Veranstaltung hat gezeigt, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen. Die Kreislaufwirtschaft kann ihr ganzes ökologisches und ökonomisches Potential nur entfalten, wenn sie ganzheitlich nachhaltig und in Kooperation gedacht wird. Dazu muss der Blick geweitet und Aufklärungsarbeit geleistet werden - unter ständigem Wissens- und Erfahrungsaustausch.

In diesem Sinne hat der BNW Anfang Februar die neue Website der circular hubs, eines weiteren DBU-geförderten BNW-Projekts, live geschaltet. Diese lädt ab sofort unter https://www.circularhubs.de zum Mitgestalten der nachhaltig-zirkulären Transformation auf regionaler Ebene ein. Am 22. März veranstaltet der BNW mit den regionalen Initiator:innen einen gemeinsamen circular hubs Auftakt an vier Standorten in Nord, Ost, Süd und West. Interessierte können sich hier registrieren.