Direkt zum Inhalt
News

Green Claims – Falsche Werbeversprechen auf Kosten des Klimas

Als Green Claims werden umweltbezogene Aussagen auf Produkten bezeichnet. Unternehmen nutzen solche Aussagen um zu zeigen, wie ihr Produkt auf das Klima oder die Umwelt wirkt und um damit zu werben. Meistens handelt es sich dabei um Aussagen wie "klimaneutral", "CO2-neutral", oder auch "plastikfrei". Durch intransparente Angaben werden solche Labels oft mit Greenwashing in Verbindung gebracht. Die EU will dem mit ihrer Richtlinie zu umweltbezogenen Aussagen Einhalt gebieten.

Nachhaltige Wirtschaftspolitik Nachhaltigkeitsreporting BIO-Branche Klimaschutz

Ursprünglich hatte die EU-Kommission für Ende November angekündigt, einen Entwurf zur Richtlinie zu umweltbezogenen Angaben (Green-Claims-Richtlinie) zu veröffentlichen. Dies wurde nun auf unbestimmte Zeit verschoben. Wir nehmen das zum Anlass, in diesem Artikel die Diskussion um Green Claims und Nachhaltigkeits-Labels aufzuschlüsseln und zu erklären welche Probleme der bisherige Entwurf hatte.

Klimaneutralität im Fokus der Green-Claims

Viele Menschen haben die Fußball-WM dieses Jahr zwar nicht geschaut, doch wer eingeschaltet hat, dem wird es vielleicht auch aufgefallen sein: Die FIFA wirbt mit einem „klimaneutralen“ Turnier und belebt damit eine lange Debatte um Green Claims und falschen Werbeversprechen mit angeblich klimafreundlichen Produkten wieder.

Während es bei einem Fußballturnier, das in einem Wüstenstaat wie Katar stattfindet, offensichtlich ist, dass an dem Versprechen der Klimaneutralität wohl wenig bis gar nichts dran ist, können unklare und nicht-standardisierte Labels auch auf anderen Produkten Verbraucher:innen in die Irre führen. Heute gibt es in so gut wie jeder Produktkategorie Angebote mit den Labels wie „klimaneutral“, „klimapositiv“, „CO2-neutral“ und anderen, die suggerieren, dass das Produkt keine oder sogar negative CO2-Emissionen hat.

Dies ist allerdings schwerlich möglich. Die Klimaneutralität eines Produktes bezieht sich in aller Regel darauf, dass CO2-Emissionen vermieden und reduziert wurden, aber vor allem, dass die verbliebenen restlichen Emissionen aus der Herstellung des Produktes im Nachhinein kompensiert werden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZBV) weist darauf hin, dass auf Produktebene „Klimaneutralität“ nie herzustellen sei, denn der Produktions- und Vertriebsprozess emittiere grundsätzlich Treibhausgase. Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht Werbung mit vermeintlicher „Klimaneutralität“ kritisch und hat Mitte dieses Jahres gegen acht Unternehmen rechtliche Verfahren wegen irreführender Werbeversprechen eingeleitet.

Denn bei der Kompensation der angefallenen CO2-Mengen ergeben sich Probleme: In vielen Fällen ist nicht nachvollziehbar, welche Emissionen wie reduziert werden. Das „klimaneutrale“ Produkt suggeriert, dass die Emissionen vollständig reduziert und kompensiert seien, wie und wo dies vollzogen wurde, ist in den wenigsten Fällen nachvollziehbar. Abhilfe kann hier Transparenz bei der eigenen Vermeidung, Reduktion und Kompensation von CO2-Emissionen bieten. Zahlreiche Unternehmen arbeiten dabei mit Berichten über ihre Kompensation. So zum Beispiel BNW-Mitglied Vaude, das auf seiner Webseite die angefallenen Emissionen aufschlüsselt und transparent macht, wie diese kompensiert werden.

Doch auch die Kompensation an sich führt in manchen Fällen zu Nachhaltigkeitsproblemen. So kommt es laut dem VZBV oft zu mehrfach Bilanzierung von Kompensationsprojekten, beispielsweise einmal in der Bilanz eines Unternehmens, das seine Produkte „klimaneutral“ vermarkten möchte und dazu seine Emissionen kompensiert und dann nochmals in den Bilanzen des Staates, in denen die jeweiligen Kompensationsprojekte durchgeführt werden.

Leitfaden des Umweltbundesamtes

Was deutlich wird: Der Weg zu „klimapositiv“ oder einem echten „positiven Handabdruck“ ist für unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft noch weit. Daher haben Anbieter von Kompensationslösungen unbedingt ihre Daseinsberechtigung, weil sie uns auf diesem Weg dringend benötigte Zeit verschaffen. Das Angebot ist groß und die Kosten, die für die CO2-Kompensation anfallen, variieren stark. Was bei der CO2-Kompensation zu beachten ist und wie Unternehmen und Privatpersonen wirklich nachhaltig kompensieren, hat das Umweltbundesamt in seinem Leitfaden zusammengefasst. Diesen finden Sie hier.
 

Greenwashing Verbot auf EU-Ebene

Dem Thema hat sich auch die Europäische Union angenommen. So sollte die Novelle der EU-Verbraucherschutzverordnung zukünftig die Verwendung von Green Claims stärker regeln, sodass kein Greenwashing damit einhergeht. Dabei konzentriert sich die Kommission auf Verbote in den folgenden Bereichen:

  • vage Umweltversprechen, ohne überprüfbare Verpflichtungen oder unabhängige Kontrolle
  • Klima-Siegel ohne Zertifizierungssystem oder ohne staatlich festgelegte Parameter
  • irreführende oder ungenaue Werbeaussagen wie „CO2-neutral“ oder „klimapositiv“
  • Umweltaussagen für das ganze Produkt, obwohl sie sich nur auf einen kleinen Teil des Produktes beziehen

Im Mittelpunkt der Green Claim-Richtlinie stand bisher der Product Environment Footprint (PEF), eine Möglichkeit zur Messung der Nachhaltigkeit eines Produktes. Er soll die Vergleichbarkeit und Aussagekraft der Umweltleistung eines Produktes erhöhen. Jedoch steht der PEF seit seiner Bekanntmachung in der Kritik. Die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller e.V. (AÖL) – auch Mitglied im BNW - beispielsweise kritisiert, der PEF sei zu effizienz-orientiert um eine widerspruchsfreie und transparente Angabe zur Nachhaltigkeit eines Produktes zu geben. Bei einer effizienz-orientierten Systematik wird einberechnet, wie viel Ressourcen ein Produkt bei der Herstellung verbraucht. Dies würde aber einem Ei aus Käfighaltung eine bessere Bewertung geben als einem Ei aus Freilandhaltung. Ein Bio-Ei hätte die schlechteste Bewertung. Dies könne in der Konsequenz dazu führen, dass sich die ökologische Landwirtschaft trotz ihrer nachgewiesenen ganzheitlichen Systemleistungen für eine nachhaltige Agrarwirtschaft und den Klimaschutz nicht mehr lohnen könnte.

Darüber hinaus sei die standardisierte Datenbasis, die der PEF verwendet, nicht ausreichend, um die gesamte Kette der ökologischen Produktion abzubilden. So kritisieren auch nachhaltige Textilunternehmen, dass der PEF kein Mikroplastik und generell keine erdölbasierten Materialien in die Bewertungsmatrix miteinbeziehe. Die Unternehmen haben außerdem keine Möglichkeit dazu, ihre eigenen Emissionsdaten einzubringen, da feste Werte für eine jede Produktgruppe verwendet werden müssen. In der Textilindustrie bekäme ein Produkt aus Bio-Baumwolle auf diese Weise eine schlechtere Bewertung als eines aus Polyester.

Green-Claims untergraben echte Nachhaltigkeit

Irreführende Werbung und widersprüchliche Nachhaltigkeits-Scores schaden am Ende vor allem Unternehmen, die tatsächlich nachhaltig produzieren. Nachhaltigkeits-Pioniere wie Voelkel, Vaude, HiPP, follow food oder Lebensbaum, werden von neu aufkommenden intransparenten und irreführenden Labels in ihrem nachhaltigen Ansatz untergraben. Das ursprüngliche Ziel der Green-Claims-Initiative der Europäischen Kommission war,  genau das zu verhindern. Doch der jetzt verschobene Entwurf war dazu nicht ausreichend genug ausgearbeitet.

Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft fordert von der EU deshalb eine Weiterentwicklung schon vorhandener Siegel, um die Niedrigschwelligkeit für Verbraucher:innen zu gewährleisten und um Komplikationen mit vorhandenen Labels wie „Bio“ oder „Öko“ zu vermeiden. Beim bisherigen Plan der EU-Kommission bestehe die Gefahr, dass gerade der Claim „Öko“ ebenfalls verboten werden könnte, was in der Lebensmittelindustrie auf Unverständnis stößt. Denn die Begriffe „öko“ und „bio“ sind für die Lebensmittelbranche durch die EU-Öko-Richtlinie rechtlich geschützt. Daher sollten etablierte und anerkannte Siegel und Zertifizierungen weiterentwickelt werden. Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) weist dazu auf den Planet-Score in Frankreich hin. Dieser sei leicht nachvollziehbar und dabei gleichzeitig komplex genug, um alle Nachhaltigkeitsaspekte einzubeziehen. Problematisch am Planet-Score ist allerdings, dass auch er die standardisierten Daten des PEF verwendet, wodurch nachhaltiger produzierende Unternehmen benachteiligt werden, weil sie ihre spezifischen Emissionsdaten nicht selbst einbringen können. Mit Blick auf das Plastik- und Recycling-Thema wird einerseits das geplante Recycling-Label wichtig werden, das derzeit vom Umweltbundesamt entwickelt wird. Andererseits sind aber auch Ansätze wie das „Plastikfrei“-Siegel des BNW-Mitglieds flustix weiterzuverfolgen.

Neben Nachhaltigkeitslabels gibt es weitere politische Maßnahmen, die klimafreundliche Produkte unterstützen und nachhaltigen Konsum fördern können. Dazu finden Sie weitere Positionen des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft u.a. zur Kreislaufwirtschaft oder zur Unterstützung sozialer Innovationen hier.

Was sind Green Claims?

Als Green Claims werden umweltbezogene Aussagen auf Produkten bezeichnet. Unternehmen nutzen solche Aussagen, um zu zeigen, wie ihr Produkt auf das Klima oder die Umwelt wirkt und damit zu werben. Meistens handelt es sich dabei um Aussagen wie "klimaneutral", "CO2-neutral", oder auch "plastikfrei". Durch intransparente Angaben werden solche Labels oft mit Greenwashing in Verbindung gebracht. Die EU will dem mit ihrer Richtlinie zu umweltbezogenen Aussagen Einhalt gebieten.